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K L A S S I K
A ntonin Dvorak
CELLOKONZERT H-MOLL,
RONDO U. A.
Alisa Weilerstein, Anna Polonsky, Czech
Philharmonic Orchestra, Jirf Behlolävek
Decca/Universal CD
An Dvoräks
1895
in New York voll-
endetem Konzert in h-Moll kommt
kein Violoncellist und keine Vio-
loncellistin vorbei - auch die jun-
ge Amerikanerin Alisa Weilerstein
nicht. Nach ihrem beachtlichen
Decca-Debüt mit dem Elgar-Kon-
zert präsentiert sie sich nun mit
dem meistgespielten aller Solokon-
zerte für ihr Instrument.
Und sie schlägt dabei nicht den
einfachsten Weg ein, der darin be-
stehen würde, die Sinnlichkeit des
Werks für sich sprechen zu lassen.
Dafür wäre Jirf Behlolävek sicher-
lich auch nicht der richtige Part-
ner. Beide teilen offenbar die An-
cht, dass Dvorak mehr ist als
„in Komponist süffiger folkloris-
tischer Weisen. Sie lassen den Hö-
rer am Reichtum der Farben, am
dichten Stimmengewebe, der raffi-
nierten Harmonik des Werks teilha-
ben und geben so den Blick frei auf
Dvoräk, den Intellektuellen. Das
Bad im wohligen Weltschmerz, zu
dem gerade die in Amerika kompo-
nierten Werke des Tschechen ver-
leiten könnten, bleibt aus.
Zu Beginn des zweiten Satzes
etwa halten sich Weilerstein und
Behlolävek an die pastorale Stim-
mung, biegen die Musik nicht zur
leidenschaftlichen Szene um (wie
etwa Jacqueline du Pré). Weiler-
stein gibt hier die Dialogpartnerin
des Orchesters, drängt sich, etwa in
den Holzbläser-Episoden, nicht un-
gebührlich in den Vordergrund. Im
Finale wird der Volksmusik-Anklang
von Solistin und Orchester vorbild-
lich unverkrampft mitge-
teilt. Hier haben aber auch
die dramatischeren Pas-
sagen jene Geschmeidig-
keit und Deutlichkeit der
Diktion, die man in pathe-
tischeren Darstellungen
vermisst.
Andreas Friesenhagen
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Besticht durch
Geschmei-
digkeit und
Deutlichkeit
der Diktion:
Cellistin Alisa
Weilerstein
Diverse Kom ponisten
MEDITATION
Elina Garanca, Latvian Radio Choir, Deutsche
Radio-Philharmonie, Karel Mark Chichon
DG/UniversalCD______________ (ff)
Historisch bunt und zugleich mit
spitzen Fingern hat sich Elina Ga-
ranca für ihr neues Album bei Sak-
ro-Titeln jeglicher Couleur be-
dient: von Allegri bis Mascagni,
von Gounod bis Gomez und Vasks.
Über das Devotionalienhafte der
Auswahl triumphiert sie durch ab-
solute Stilsicherheit und die ihr ei-
gene, kühle Emphase. Was die Sa-
che genießbar, wenn auch nicht un-
bedingt wichtiger macht. Garan-
ca, auf allen Feldern hochkompe-
tent, bestätigt ihren Rang als eine
der wichtigsten Mezzo-Soprane der
Gegenwart. Dass dies Album eine
dringende Herzensangelegenheit
wäre, dieser Eindruck kommt mu-
sikalisch allerdings nicht auf. Sie
scheint eine der wenigen Sängerin-
nen der Geschichte zu sein, deren
Souveränität ihre Fähigkeiten be-
grenzt. Was fehlt, ist ein Geheimnis.
KLK
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Giuseppe Verdi
GIOVANNA D'ARCO
Anna Netrebko, Placido Dom
ingo
u. a., Münchner
Rundfunkorchester, Paolo
Carignani
DG/Universal CD
(109’)
Giuseppe Verdis siebte Oper „Gio-
vanna d’Arco“ von
1845
ist die ers-
te von vier Schiller-Vertonungen,
die keiner zu kennen braucht: eine
fiktive Liebesgeschichte mit Frank-
reichs Karl VII. (ein wenig verknif-
fen: Francesco Meli). Anna Netreb-
kos überströmende, doch diszipli-
nierte Kantilenen sind das Ergeb-
nis sorgfältig eingesetzter und bes-
tens beherrschter Stimmtechnik. An
ihrer Seite Pläcido Domingo als Ba-
riton-Vater Giacomo, dessen Alter
nicht zu überhören ist. Das Münch-
ner Rundfunkorchester unter Paolo
Carignani beschränkt sich auf Rou-
tinebegleitung.
bru
MUSIK
KLANG
★ ★ ★
Franz Schubert
NACHTVIOLEN
Christian Gcrhahcr, Gerold
Huber
Sony CD___________________(ff)
Was bei Ian Bostridges jüngster
Schubert-CD (Wigmore Hall) neu-
erlich auffiel, nämlich ein düs-
ter-melancholisches Grundemp-
finden, zeigt sich auch bei den In-
terpretationen Christian Gerha-
hers. Insofern scheint er für die
oft so „zerrissen“ wirkende Mu-
sik Mahlers besonders prädesti-
niert. Doch gilt dies kaum min-
der für Schubert. In dem aktuel-
len Recital „Nachtviolen“ doku-
mentiert freilich nicht so sehr die-
ses titelgebende Lied, sondern
die Uhland-Vertonung „Frühlings-
glaube“ Gerhahers emotional ver-
schattetes Singen. Angesichts von
frischem Duft und neuem Klang
müsste sich alles, alles wenden,
sagt der Text. Die leicht tempo-
gedrosselte, elegisch getönte In-
terpretation Gerhahers stellt dies
aber infrage, deutet an, dass erleb-
te Qual nicht immer dem Verges-
sen anheimgegeben werden kann.
Die FAZ hat den Sänger zu sei-
ner Schubert-CD befragt und da-
bei auch Antworten erhalten, die
einigermaßen erstaunen. Gerha-
her befindet mit drastischen Wor-
ten: „Ich halte die verbreitete Auf-
fassung, Lieder seien Minidramen,
für totalen Quatsch.“ Ohnehin wis-
se „nicht einmal der Komponist
am Ende ganz genau, wie er es
gemeint hat“. Ein weites Diskus-
sionsfeld.
Ist nun aber die Schauerballa-
de „Der Zwerg“ keine erzählte Ge-
schichte? Die geradezu beklom-
men machende Darstellung Gerha-
hers ist übrigens jener von Bostrid-
ge vergleichbar, wobei Gerhaher
mit seinem tenorfesten Bariton bei
aller Ausdrucksintensität vokalen
Schönheitskriterien noch stärke-
ren Raum gibt. Die Textbehand-
lung ist nichts weniger als mira-
kulös. Und einen so sensiblen Be-
gleiter wie Gerold Huber zu haben,
ist ein Gottesgeschenk.
Christoph Zimmermann
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
146 STEREO 10/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht